Dienstag, 19. November 2013

Über die Liebe (an die er nicht glaubte...)

"Daran glaubte er nicht. Mied sogar das Wort. Hielt es für Kitsch. Es gebe diese drei Dinge, und nur sie, pflegte er zu sagen: Begriede, Wohlgefallen und Geborgenheit. Und alle seien sie vergänglich. Am flüchtigsten sei die Begierde, dann komme das Wohlgefallen, und leider sei es so, daß die Geborgenheit, das Gefühl, in jemandem aufgehoben zu sein, irgendwann auch zerbreche. Die Zumutung des Lebens, all die Dinge, mit denen wir fertig werden müssten, seien einfach zu zahlreich und zu gewaltig, als dass unsere Gefühle sie unbeschadet überstehen könnten. Deshalb komme es auf Loyalität an. Sie sei kein Gefühl, meinte er, sondern ein Wille, ein Entschluss, eine Parteinahme der Seele. Etwas, das den Zufall von Begegnungen und die Zufälligkeit der Gefühle in eine Notwendigkeit verwandle. Ein Hauch von Ewigkeit, sagte er, nur ein Hauch, aber immerhin."

Pascal Mercier in "Nachtzug nach Lissabon"
19. Auflage Taschenbuch Mai 2006
ISBN 978-3-442-73436-8 Seite 256f.